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Schule zu, Hilfsangebote geschlossen: Die vergessenen Kinder der Corona Krise

An manchen Abenden kann ich noch schwerer einschlafen als sonst. Meine Gedanken kreisen rund um die Pandemie, ihre andauernde Belastung und die Herausforderungen des nächsten Tages in meiner Großfamilie. Immer öfter bleiben sie jedoch bei einem Thema hängen, das mich wirklich belastet und mir in der Seele weh tut: Den vergessenen Kindern der Corona Krise.

Während meine Kinder maulen, wenn ihnen mein frisch gekochtes Essen nicht schmeckt, bekommen diese Kinder überhaupt nichts gekocht. Während mein Sohn über schlechtes W-Lan klagt, besitzen diese Kinder überhaupt keinen Computer. Während meine beiden Großen miteinander streiten und dann ihre Zimmertüren knallen, haben diese Kinder überhaupt keinen Rückzugsort.

Fehlender Zugang zu Bildung

Nun bedeutet ein fehlender Computer nicht zwangsläufig, dass man keine Teilhabe mehr am Bildungssystem hat. Er bedeutet aber durchaus, dass die Bedingungen für diese Kinder massiv erschwert sind. Denn während ihre Altersgenossen zumindest die Chance haben, ihr Wissen im Homeschooling konsequent zu erweitern, fehlt diese Möglichkeit ohne die entsprechende technische Ausrüstung.

Tja, eigentlich sollte Kindern aus sozial schwachen Familien längst entsprechendes Arbeitsgerät vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Eigentlich. Denn angekommen ist in den Familien bisher viel zu wenig. Eine befreundete Lehrerin aus einem durchaus gutbürgerlichen Bezirk Berlins berichtete mir vor Kurzem, dass an ihrer Schule 40 Familien Bedarf angemeldet hätten. Ausgegeben wurden Ende November 17 Tablets, eine weitere Lieferung ist vorerst nicht geplant. So kann Bildung nicht funktionieren. Hier wird ganz klar an den falschen Stellen gespart und die Kinder sind die Leidtragenden. Eine Katastrophe wenn man bedenkt, wie viel geistiges Potenzial hier bewusst nicht gefördert wird.

Chips als Ernährungsgrundlage

Thema Ernährung: Immer wieder sehe ich den Leiter der Berliner Arche Bernd Siggelkow im Fernsehen. Er ist Pfarrer und leitet das Kinderprojekt Arche in Berlin Hellersdorf. In normalen Zeiten unterstützt die Arche Kinder aus sozial schwachen Familien bei der Bewältigung ihres Alltags. Hausaufgaben erledigen, gemeinsam essen und zusammen spielen gibt den Kindern eine Struktur und Fürsorge, die leider oft in ihrem Zuhause fehlt.

Nun ist die Küche der Arche seit Wochen geschlossen. Die warmen Mahlzeiten fehlen den Kindern, die oft hungrig auf dem – in weiten Teilen abgesperrten – Gelände der Einrichtung auftauchen. Siggelkow berichtet, dass die Kühlschränke Zuhause teilweise leer seien und die Kinder sich eigenständig mit Chips aus dem Supermarkt versorgen würden. Sicherlich nicht alle – aber allemal zu viele. Sein Team packt nun Kisten mit Lebensmitteln, um den Familien zumindest ein gemeinsames Kochen zu ermöglichen.

Kinder mit Hunger in diesem reichen Land. Für mich ist das schlichtweg unbegreiflich.

Ihnen wird auch hier die Teilhabe an einem normalen Alltagsleben genommen, denn eine Grundversorgung mit Nährstoffen ist nun einmal die Voraussetzung für körperliche und geistige Fitness. Die Eltern sind ihrer Rolle als Versorger überfordert und schaffen es nicht, ihren Kindern die dringend benötigte Stabilität zu bieten. Hilfseinrichtungen wie die Arche müssen schweren Herzens ihre Pforten geschlossen halten, auch wenn der Bedarf jeden Tag enorm ist. Die Kinder sind auch hier die Verlierer und müssen sich zwangsläufig mit ihrer Situation abfinden. Was bleibt ihnen auch anderes übrig.

Wohnsituation als Stressfaktor

Ebenso wie Bildung und Ernährung spielen natürlich auch die Wohnverhältnisse in Zeiten dieser Krise eine große Rolle. Egal wie sehr man sich als Familie liebt – ab einem gewissen Punkt nerven die anderen. Das geht uns Erwachsenen so und den Kindern oft noch viel mehr. Sie befinden sich mitten in ihrer Entwicklung, durchleben äußerst sensible Phasen und benötigen Zeit und Raum für sich. Wenn dieser fehlt, steigt der Stresspegel zusätzlich an.

Die Nerven aller Familienmitglieder liegen blank, denn es gibt zu wenig Möglichkeiten, um sich aus dem Weg zu gehen. Von Quality Time kann keine Rede sein, nach mehreren Wochen ist die Zeit gemeinsam einfach nicht mehr schön. Noch zumal, wenn Homeschooling und Homeoffice oder auch ein fehlendes Arbeitsverhältnis den Stresspegel zusätzlich in die Höhe treiben.

Was ist mit den Kindern, deren Eltern unter diesem Druck zusammenbrechen? Die ihren Frust und ihre Verzweiflung an den Schwächsten auslassen, ohne dass diese sich wehren können? Der Gedanke an die vielen seelischen und psychischen Gewalttaten, die Kinder momentan ohne Schutz ertragen müssen, macht mich krank.

Gerade für sie sind Kita, Schule, Hort und Freizeiteinrichtungen Safe Places. Orte, an denen sie Schutz erfahren und an denen sie sich geborgen fühlen. Die ihnen Vertrautheit und Sicherheit schenken, die ihnen Zuhause fehlt. Diese Kinder haben im Moment keine Stimme. Sie werden von der Politik vergessen, die das zwar bedauert aber auch nicht wirklich bemüht scheint diese Situation zu ändern.

Die vergessenen Kinder der Corona Krise. Was können wir für sie tun – jetzt und nach dem Ende der Pandemie? Sie werden uns brauchen, als Versicherung dafür, dass sie der Gesellschaft nicht egal sind. Als Bestätigung dafür, dass sie gebraucht und wertgeschätzt werden. Auch wenn sie schon viel zu lange nicht die gesellschaftliche Relevanz erhalten haben, die ihnen eigentlich zusteht.

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