Nicht mehr lange, dann ist das erste Halbjahr des Schuljahres 20/21vorbei. Wochen und Monate liegen hinter uns, die nicht mit normalen Maßstäben zu messen sind – weder für Eltern, noch für Schüler. Ihr Zeugnis werden unsere Kinder in jedem Fall erhalten. Doch was wird mit den Schulnoten in diesem Halbjahr eigentlich beurteilt? Und vor allem: Was nicht?
Im August fing das neue Schuljahr noch recht unbelastet an. Corona war zwar Thema, doch die Zahlen waren über die Sommermonate hinweg soweit gesunken, dass ein stückweit Entspannung möglich war. Den Schulen war aufgetragen worden, ein tragfähiges Konzept für Distanzunterricht zu entwickeln. Nur für den Fall, dass der Präsenzunterricht auf Grund der Pandemie erneut ausgesetzt werden müsste. Eine Herkulesaufgabe für ein Schulsystem, dessen Modernisierung schon viel zu lange versäumt worden ist.
Präsenzunterricht mit Einschränkungen
So tüftelte jede Schule an einem eigenen Konzept. Und während die Wochen vergingen und langsam der Herbst einzog, wurden unsere Kinder fast regulär in ihren Klassen beschult. Mit steigenden Corona-Infektionen kamen je nach Klassenstufe neue Auflagen hinzu. Abstandsregelungen, das Tragen eines Mund- Nasenschutzes und das regelmäßige Lüften auch bei kühlen Temperaturen wurde zum Lernalltag, mit dem sich die Kinder arrangieren mussten.
Auch wenn diese Maßnahmen sinnvoll und nachvollziehbar sind, waren sie für einige Kinder doch eine Beeinträchtigung. Konzentriertes Lernen erfordert positive Rahmenbedingungen und diese wurden für einige Schüler erschwert. Das Atmen mit Maske oder schreiben in der Winterjacke können Faktoren sein, die Schüler von ihrer eigentlichen Lernaufgabe ablenken. Zwar nicht zu ändern, aber dennoch eine Beeinträchtigung des individuellen Leistungspotenzials.
Leistung wurde aber auch weiterhin von ihnen gefordert. Wie sollte es auch anders sein, denn schließlich setzen sich Schulnoten und somit das Zeugnis nun einmal aus diversen Leistungskontrollen zusammen. Dennoch sollte man anerkennen, dass einige Schüler bedingt durch die Umstände vielleicht nicht die Leistungen erbracht haben, zu denen sie sonst fähig gewesen wären. Das gilt sowohl für Grundschüler, als auch für Kinder der weiterführenden Schulen. Sie alle hatten besondere Herausforderungen zu meistern und haben dies in ihrem individuellen Rahmen zumeist auch geschafft.
Und dann kam das Homeschooling…
Der Dezember brachte uns dann nicht nur den Advent, sondern einen erneuten Lockdown. Die Schulen wurden geschlossen und das Homeschooling nahm einen neuerlichen Anlauf. Klappte es jetzt besser als im Frühjahr? Trotz aller Widrigkeiten würde ich aus meiner Erfahrung mit Ja antworten. Viele Abläufe funktionierten nun reibungsloser und die Kinder waren vertrauter mit dieser anderen Art des Lernens. Dennoch muss man ganz klar sagen, dass kein Distanzunterricht den regulären Präsenzunterricht ersetzen kann. Fragen stellen, Erklärungen hören und im Klassenverband üben – all das kann Zuhause nicht geleistet werden.
Gearbeitet werden muss trotzdem. Das ist richtig und wichtig, damit die Bildungslücken nicht zu groß werden. Dabei sollten Eltern sich bemühen, das Homeschooling nicht zum großen Stressfaktor werden zu lassen. Auch im Unterricht läuft schließlich nicht alles nach Plan und auch dort gibt es keine 100%ige Erfolgsgarantie. Lernen ist ein Prozess, der über Jahre hinweg abläuft. Unsere Kinder lernen tagtäglich dazu, auch wenn es nicht immer schulrelevante Inhalte sind. Lebens- und Herzensbildung sind im Alltag schließlich nicht minder wichtig.
Dennoch bleibt die Frage, wie aussagekräftig das Zeugnis als Resultat der Lernprozesse in diesem besonderen Schulhalbjahr ist. Natürlich nehmen Lehrer auch bei Videokonferenzen, eingereichten Arbeitsbögen und allen anderen Schülerkontakten die Leistung des einzelnen wahr. Als Lehrer sind wir darauf trainiert, die Fähigkeiten unserer Lerngruppen einschätzen zu können. Und dennoch sind Leistungen aus dem Homeschooling Bereich nicht 1:1 übertragbar auf reguläres Lernen in der Schule.
Denn während einige Kinder vielleicht das Glück eines ruhigen und gut ausgestatteten Arbeitsplatzes genießen, müssen andere inmitten von engen Wohnverhältnissen lernen. Geschwister können zusätzlich ablenken und auch ein höherer Lärmpegel kann eine Beeinträchtigung sein. Lernen Zuhause ist eben nicht gleich Lernen Zuhause.
Kinder sind viel mehr als ihre Zensuren
Was also sagen die Zensuren auf dem Zeugnis wirklich aus? Sie sagen nicht unbedingt aus, was das Kind in einem Fach gelernt hat. Sie sagen vielmehr aus, was es geschafft hat, sich unter den gegebenen Umständen anzueignen. Letztlich heißt das für uns: Unsere Kinder haben mehr Potenzial, als es ihr Zeugnis abbildet. Das sollte eine riesige Erleichterung sein für alle Eltern, die sich häufig Sorgen um die Schulnoten ihrer Kinder machen.
Denn sie haben nicht nur geschafft, die Aufgaben der Lehrer bestmöglich zu erfüllen. Sie haben zudem gelernt, ihre eigene Arbeit zu organisieren. Selbstständig Aufgaben einzuteilen, Inhalte zu erschließen und zu bearbeiten sind elementare Fähigkeiten, die ihnen das Homeschooling im Eiltempo beigebracht hat. Nicht immer gelingen diese in Gänze – natürlich nicht, dafür sind es ja auch Kinder, die sich auf einem Lernweg befinden. Doch diese Kompetenzen sind nun deutlich ausgeprägter, als sie es noch vor einem Jahr waren. Und dafür sollten wir unsere Kinder loben!
Das Zeugnis ist also ein Indikator für die fachlichen Kompetenzen unserer Kinder – nicht mehr und nicht weniger. Es sagt nichts darüber aus, wie weit ein Kind über sich selbst hinausgewachsen ist. Wie sehr es sich angestrengt hat, auch wenn die Zensuren nicht so gut sind wie vielleicht erhofft. Ein Zeugnis bildet nicht ab, welche individuelle Weiterentwicklung ein Kind in den letzten Monaten bewältigt hat – besonders unter den Bedingungen der letzen Zeit. Es kann nicht zeigen, welche Hürden es innerlich überwunden und welchem Druck es standgehalten hat. Diese wichtigen Kompetenzen werden auch auf diesem Halbjahreszeugnis nicht sichtbar sein.
Das Zeugnis als Puzzleteil
Und dennoch sind sie da. Weniger denn je bildet dieses Zeugnis unsere Kinder als vollständige Individuen ab, die sie nun einmal sind. Es zeigt lediglich den Wissensausschnitt, der auf kognitiver Ebene erarbeitet wurde. Doch ein Ausschnitt ist nun einmal nur ein Teil eines Gesamtbildes. Der Komplexität der Fähigkeiten unserer Kinder wird es daher auch nur in Teilen gerecht.
Also lobt eure Kinder für all das, was sie in den letzten Wochen geleistet haben. Besonders auch dann, wenn die Noten nicht überall dem entsprechen, was im vergangenen Sommer auf dem Zeugnis stand oder was eure Kinder erwartet haben. Nehmt sie in den Arm, fangt sie auf und macht ihnen Mut für das zweite Halbjahr. Corona stellt auch für Kinder eine große Herausforderung dar und wir sollten ihre zarten Kinderseelen nicht durch zusätzlichen Druck und enttäuschte Erwartungen belasten.
Stress haben wir doch alle schon genug. Nun sollten wir uns bemühen, als Familien unsere Akkus gemeinsam wieder aufzutanken. Kuscheln, loben und ein leckeres Stück Kuchen zum Abschluss des ersten Schulhalbjahres 20/21 tun allen Familienmitgliedern gut.
In diesem Sinne: Einatmen, ausatmen – und guten Appetit für euch!
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