Als mein erstes Baby 2005 geboren wurde, hätte ich nicht glücklicher sein können. Riesengroß war die Vorfreude auf ein Familienleben zu dritt und mein Kind sehnlichst erwünscht. Doch statt Freude, Harmonie und Verbundenheit lebte ich in einem Strudel aus Schlaflosigkeit, Nervosität und Verzweiflung. Rückblickend weiß ich, dass meine Tochter ein High-Need-Baby war.
Leider hatte sich der Begriff High-Need-Baby und das damit verbundene Verständnis für die Situation zum damaligen Zeitpunkt noch nicht allgemein durchgesetzt. Zumindest an mein Ohr war er noch nicht gedrungen. Und so schrieb ich mir selber die Unruhe meines Babys zu, ertrug schlaflose Nächte und opferte mich bis an den Rand meiner Belastbarkeit auf – und leider auch darüber hinaus.
Keine Minute Ruhe
Da dies mein erstes Baby war hatte ich keinerlei Erfahrung, auf die ich hätte zurückgreifen können. Von daher nahm ich einfach an, dass das Leben mit Baby eben so anstrengend sei, wie ich es erlebte. Zwar wunderte ich mich über andere Mütter, die ihre Neugeborenen schlafend im Kinderwagen umherfuhren. So etwas war mit meiner Tochter nicht denkbar, sie schrie sofort wie am Spieß, wenn ich sie irgendwo ablegen wollte. Dennoch akzeptierte ich die Situation wie sie war – was hätte ich auch anderes tun können?
Meine Tochter ließ mir keine Zeit, um zu sehr ins Grübeln zu kommen. Sie weinte viel und war durchgehend unruhig, obwohl die äußeren Umstände dazu keinen Anlass boten. Vorübergehend entspannt war sie nur, wenn ich sie am Körper trug, was ich auch meistens tat. Doch niemand kann ein Baby 24 Stunden lang bei sich tragen, ohne eine Pause zu machen, essen zu kochen oder duschen zu gehen. Das geht an die Substanz – körperlich und geistig.
Gute Nacht – welche gute Nacht?
Häufig konnte ich das Ende des Tages nicht erwarten. Meine Sehnsucht nach ein bisschen Ruhe und Schlaf war nach Wochen der Strapazen übermächtig geworden. Zudem hatte ich immer das Gefühl, dass auch meinem Baby die Ruhe gut tun würde. Einfach mal ausbrechen aus dem sich immer drehenden Hamsterrad der Motorik und Unruhe, in dem sich der kleine Körper viel zu oft befand. Für mein Empfinden hätte mein Baby so erschöpft sein müssen, dass es zumindest in der Nacht tiefe Ruhe finden würde. Doch weit gefehlt.
Schlaf fand mein High-Need-Baby nur häppchenweise. Zwei Stunden Ruhe am Stück waren schon ein Highlight, normal waren eher Intervalle von 30-40 Minuten. Dann fing sie an unruhig zu werden, sich zu bewegen und Laute von sich zu geben. Dabei versuchte ich alles, um uns beiden eine möglichst entspannende Nachtruhe zu ermöglichen: Ich legte sie zu mir ins Bett, kuschelte sie im Bett in das Stillkissen ein, kaufte eine Wiege, die ich im Halbschlaf mit der Hand wippen konnte. Nichts half, zumindest nicht wirklich bahnbrechend.
Große Liebe – schwindende Kräfte
Nach jeder durchwachten Nacht fragte ich mich morgens, wie ich den vor mir liegenden Tag bewältigen sollte. Und so wuchs meine Verzweiflung täglich weiter an. Die Liebe zu meinem Kind war riesengroß, aber meine Kräfte bald am Ende. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als liebevoll mit meinem entspannten Baby kuscheln zu können, es in Ruhe in den Schlaf wiegen zu dürfen und gemeinsam einen Spaziergang über den sommerlichen Berliner Ku´Damm zu genießen. Doch es sollte noch viele Wochen dauern, bis sich die Situation mit meinem High-Need-Baby endlich entspannte und wir beide langsam zu einer liebevollen Einheit zusammenwuchsen.
Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war für mich, mir meine Verzweiflung und Überforderung selber einzugestehen und mir dann Hilfe zu holen. Tatsächlich sind das die ersten zwei meiner Tipps, die ich dir für dein herausforderndes Leben mit High-Need-Baby geben möchte:
5 Tipps für Eltern von High-Need-Babys
1. Akzeptiere, wenn du mit deinen Kraftreserven am Ende bist
Du bist keine schlechte Mutter, weil du nicht mehr weiter kannst. Du hast nicht versagt, weil du nicht 24/7 liebevoll und geduldig die Bedürfnisse deines Kindes erfüllst. Du bist auch nur ein Mensch und es ist ok, nicht mehr weiter zu wissen.
2. Hole dir Hilfe
Sich helfen zu lassen ist kein Versagen. Es ist keine Schwäche, die dir peinlich sein sollte. Ganz vielen Müttern geht es mit ihrem Baby nicht gut, doch sie trauen sich nicht, diese Gefühle zu äußern. Aus falscher Scham machen sie so lange weiter, bis wirklich nichts mehr geht. Lass es nicht so weit kommen, sondern hole dir professionelle Unterstützung.
3. Versuche einen Puk- oder Schlafsack für dein Baby
Fest eingekuschelt gelingt es manchen High-Need-Babys besser zur Ruhe zu kommen. Sie können sich so selber eher spüren, werden an die Enge im Mutterleib erinnert und es gelingt ihnen, leichter loszulassen.
4. Sei gut zu dir selber
Nichts hilft deinem Baby weniger, als wenn du dich mit Schuldgefühlen selbst geißelst. Mach dich nicht selber noch runter, wenn du ohnehin schon am Boden bist. Gönn dir stattdessen Dinge, die dir gut tun. Sei liebevoll in deinen Gedanken an dich selbst. Klopfe dir auf die Schulter für all das, was du täglich leistest. Erinnere dich daran, dass du für dein Baby der Fels in der Brandung bist. Es liebt dich abgöttisch, auch wenn es das momentan noch nicht zeigen kann.
5. Der Faktor Zeit
Auch wenn du es momentan nicht glauben kannst: Diese anstrengende Lebensphase mit einem High-Need-Baby vergeht. Jeder Tag, den du gut mit deinem kleinen Schatz verbracht hast, ist ein gewonnener Tag. Dein Kind wird älter und ihr entwickelt gemeinsam Routinen, die ihm Sicherheit geben. Tägliche Strukturen helfen deinem Baby, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Mit jedem Tag, den es älter wird, nimmt somit auch seine Unruhe und Unsicherheit ab. Dann werdet ihr zu dem Dream-Team, das du dir immer gewünscht hast!
Noch ein Tipp als Ergänzung von einer lieben Leserin: Auch Tragetücher helfen sehr gut, um dein Baby zu beruhigen! Die körperliche Nähe zusammen mit deiner Bewegung tragen dazu bei, dass dein Baby sich leichter entspannen kann und gelassener wird. Hier gibt es noch mehr Tipps für einen entspannten Alltag mit Baby.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd diese Zeit mit einem High-Need-Baby ist. Allein die Tatsache, dass ich 16 Jahre später noch darüber schreibe zeigt wohl, welche Spuren sie bei mir hinterlassen hat. Doch ebenso kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Es wird alles gut! Meine Tochter ist ein starker und eigenwilliger Charakter geblieben und das ist auch völlig in Ordnung. Heute haben wir eine absolut innige Beziehung, quatschen von Mutter zu Tochter und lieben uns heiß und innig.
Jeder schwierige Moment mit ihr hat sich 1000fach bezahlt gemacht. Würde ich dafür diese herausfordernden Wochen und Monaten noch einmal in Kauf nehmen? Aber sofort!
Du möchtest mehr Tipps für ein entspanntes Baby und dein glückliches Familienleben? Dann schau mal hier bei Starke Kids vorbei!
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