Seit vielen Jahren habe ich eine liebe Freundin an meiner Seite, die mich durch viele Hochs und Tiefs begleitet hat. Sie hat meine Schwangerschaften miterlebt, meine Kinder auf dem Arm gehalten und sich die Geschichten rund um meine sechsköpfige Großfamilie angehört. Dass sie selber vor Jahren eine Abtreibung hatte, war mir bis vor kurzem überhaupt nicht bewusst.
Ich liebe es, mich regelmäßig mit meinen Freundinnen zu treffen. Mal Zeit zum Quatschen haben, in Ruhe zusammen im Restaurant essen und bei einem kleinen Weinchen über all das plaudern, was sich in den vergangenen Wochen so ereignet hat. Viel zu selten sind diese Verabredungen, denn jeder ist im Alltag mit Job, Kindern und dem ganzen Drumherum permanent eingespannt. Aber mit einem gewissen Vorlauf klappt es dann doch und ich freue mich immer sehr auf diese Abende.
Und während ich also mit meiner Freundin am Tisch sitze und wir über Gott und die Welt plaudern erzählt sie mir, dass sie den Gedanken damals überhaupt nicht ertragen konnte und einfach nur froh war, als es vorbei war. Ich verstehe nur Bahnhof und grübele, ob der zweite Wein vielleicht doch keine so gute Idee war. Meine Denkerstirn verrät mich offensichtlich, denn sie fragt, warum ich so komisch gucken würde.
Eine Abtreibung, damals…
„Ach“, sagt sie dann, „hatte ich dir das gar nicht erzählt? Ich war doch schwanger und fand das ganz furchtbar. Ich konnte den Gedanken an ein Kind überhaupt nicht ertragen und habe mich deshalb für eine Abtreibung entschieden.“ Ok, diese Information muss ich erstmal verarbeiten.
Natürlich habe ich sie dann gefragt, was an einem Leben mit Kind sie so erschreckt hat, dass es für sie gänzlich ausgeschlossen ist. Es sei das Gesamtpaket gewesen, antwortete sie. Die Angst davor, dass mit einem Kind nichts mehr so ist wie vorher. Die Angst davor, dass sich die Partnerschaft verändert, dass Freiräume beschnitten werden und dass sie nur noch fremdbestimmt sei. Zudem die Verantwortung für ein Leben, der sie sich nicht gewachsen fühle. Trotz Mann und einer stabilen Partnerschaft. Daher die Entscheidung pro Abtreibung.
Was erwidert man als Mutter von vier Kindern darauf? Ja, ich kann ihre Ängste verstehen. Und ja, in Teilen sind sie aus meiner Erfahrung heraus auch begründet. Natürlich ist mit einem Baby zunächst nichts mehr so, wie es mal war. Aus Partnerschaft wird Familie und es kann eine Zeit dauern, bis sich alle in dieser neuen Konstellation zurechtgefunden haben.
Kinder bringen Veränderung
Anders wird es, keine Frage. Aber anders bedeutet ja nicht unbedingt schlechter. Ich habe durch meine Kinder Erfahrungen gemacht, die ich sonst in diesem Leben nicht gemacht hätte. Sie waren gut und sie waren auch schlecht, aber ich möchte keine einzige davon missen. Gerade im Baby- und Kleinkindalter der Minis bin auch ich mit meinem Mann durch harte Zeiten gegangen. Aber wir sind hindurch- und gestärkt aus ihnen hervorgegangen. Ich habe mich durch meine Kinder nicht verloren, ich bin immer noch ich. Meine Rolle als Mutter liebe ich sehr – aber ich definiere mich nicht ausschließlich über sie.
Für mich sind meine Kinder ein riesiger Zugewinn. Doch ich möchte nicht darüber urteilen, ob andere Menschen das auch so empfinden müssen. Ich respektiere die Entscheidung meiner Freundin für eine Abtreibung, weil ich weiß, dass es keine Kurzschlussreaktion war. Sie war gründlich überlegt, und fühlt sich für meine Freundin auch nach Jahren noch richtig an.
Und so akzeptiere ich ihren Weg und freue mich für sie, dass sie mit sich selbst im Reinen ist. Ohne Kind, dafür aber mit der Konstanz, die sie sich für ihr Leben gewünscht hat.
Wie hättet ihr reagiert? Hattet ihr ähnliche Gedanken und Sorgen, als ihr von eurer Schwangerschaft erfahren habt? Erzählt mir davon und schreibt euren Kommentar direkt in das Feld unter dem Beitrag.
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